Die Europawahl – wen und warum soll ich wählen?

18. Mai 2019 0 Von Boris Biba

Ich gebe grundsätzlich keine Wahlempfehlung raus und verrate auch nur sehr wenigen oder gar keinen Leuten wie ich persönlich wähle. Aus den folgenden zwei Gründen:

  1. Ich will, dass sich jeder als mündiger Bürger selbst informiert und nachdenkt. Hinzu kommt, dass eine Wahlentscheidung auch durch ganz persönliche Beweggründe gefällt wird, in die ich bei dir keinen Einblick habe, selbst dann nicht, wenn wir uns stundenlang darüber unterhalten. Ich spüre eben nicht dein „Bauchgefühl“.
  2. Die Wahl ist geheim. Das ist ein wichtiges Grundprinzip einer demokratischen Wahl das ich sehr wichtig finde. Jeder der schon mal im falschen Rahmen preisgegeben hat, wen er wählt und dafür kritisiert oder sogar verhöhnt wurde, kann das sicher nachvollziehen. Wenn du überzeugt bist, mit deiner Wahl das Richtige zu tun dann reicht das. Es ist dein Gewissen und eine demokratische Wahl sollte auch immer eine Gewissensentscheidung sein. Trotzdem kann man natürlich über die Vor- und Nachteile bestimmter Entscheidungen reden.

Wen soll ich wählen?

Wie gesagt, ich gebe keine Wahlempfehlung. Aber ich gebe eine begründete Nicht-Wahl-Empfehlung:

Wen du meiner Meinung nach also auf keinen Fall wählen solltest sind die AfD, Die Partei, jede andere kleinere Anti-EU-Partei.

Warum nicht die AfD?

Die AfD befürwortet langfristig eine Rückkehr zum Nationalismus in Europa, d.h. jedes Land entscheidet für sich. Es gibt keine gemeinsame Außenpolitik (es sei denn man stimmt zufällig miteinander überein). Innerhalb der EU werden wieder Grenzkontrollen und Zölle eingeführt. Nationale Währungen sollen den Euro ersetzen usw. Im Grunde will die AfD so ziemlich alles abbauen was in den letzten 70 Jahren während der Entstehung der EU in Sachen Freundschaft und Friedenssicherung sowie internationalem Einfluss und gemeinsamen Werten aufgebaut wurde. Diese Partei ins Europäische Parlament zu wählen bedeutet die EU abzuschaffen und lang- (oder sogar mittel-)fristig einen Krieg in Europa zu provozieren.

Du hasst eine weltoffene, fortschittliche und tolerante demokratische Gesellschaft? – Dann wähle die AfD. Sonst nicht.

Warum nicht die Partei?

Die Partei ist eine Satirepartei. Sie versteht sich als solche und hat kein (wirkliches) Programm. Die Partei hat keine Ziele, die sie durchsetzen will und der Abgeordnete Martin Sonneborn, der in der letzten Wahl ins EU-Parlament eingezogen ist hat seither einfach abwechselnd mit ja und nein gestimmt. Ohne Rücksicht auf das jeweilige Thema. Das hat er vorher angekündigt und er zieht das durch – immerhin kann man ihm die Konsequenz in diesem Vorgehen nicht absprechen.

Die Partei ist nicht für oder gegen die EU. Sie ist nicht für oder gegen irgendwas – egal was auf den Plakaten steht. Sie macht Satire und – das ist auch etwas Positives – macht auf politische Themen und seltsame politische Abläufe aufmerksam.

Du willst eigentlich gar nichts mit Politik zu tun haben – kannst keine andere Partei mit deinem Gewissen vereinbaren und würdest lieber nicht wählen? – Dann wähle Die Partei. Sonst nicht.

Warum keine Anti-EU-Partei?

Unter Anti-EU-Partei soll hier jede Partei verstanden werden, welche die EU in ihrer Grundidee ablehnt. Natürlich ist Kritik an den Strukturen und Maßnahmen der EU wichtig und richtig, sie befördert eine Entwicklung und ermöglicht Verbesserungen im System. Aber jede Partei, die vorschlägt Grenzen zwischen den Mitgliedsstaaten zu schließen und aus dem gemeinsamen einzigartigen europäischen Projekt auszusteigen, hat im EU-Parlament einfach nichts verloren. Im schlimmsten Fall nutzt sie ihre Macht im Parlament, um die Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft zu zerstören. Diese Parteien betreiben keine konstruktive Politik – sie wollen nicht gestalten oder bestehendes verbessern. Sie wollen Europa brennen sehen – oder nehmen dieses Risiko zumindest billigend in Kauf.

Du würdest auf deinen Geburtstag einen Gast einladen, der in die Bowle pinkelt, auf den Kuchen kotzt, deine Freundin schlägt und deiner Katze mit einem Böller den Schwanz weg sprengt? – Dann wähle eine von diesen Parteien (oder die AfD). Sonst nicht.

Weitere Überlegungen:

Es ist so, dass es in Deutschland für die EU-Wahl 2019 keine Sperrklausel gibt. Also theoretisch kann jede Partei die Stimmen bekommt auch einen von den 96 Sitzen im Parlament bekommen. Praktisch sieht es allerdings so aus, dass durch das Berechnungsverfahren trotzdem Parteien keine Sitze bekommen die zu wenige Stimmen erhalten. Das klingt zunächst seltsam, ist aber fair, wenn man bedenkt, dass sonst unter Umständen eine Partei, die 0,0003 % der Stimmen erhält ebenso viele (einen) Sitz bekommen würde wie eine Partei die 0,5 % der Stimmen erhält.

Mit wie vielen Prozent eine Partei ins Parlament einziehen kann hängt davon ab wie viele Parteien letztlich gewählt werden. Je mehr Stimmen eine Partei hat, desto größer ist ihre Chance mindestens einen Sitz zu erhalten. Bei der letzten Wahl hat „Die Partei“ z.B. noch mit 0,5 % einen Sitz bekommen.

Wählst du also eine Partei, die voraussichtlich nur ganz wenige Stimmen bekommen wird, ist damit zu rechnen, dass sie keinen Sitz im europäischen Parlament bekommt, da die Anzahl der Sitze festgelegt ist und Parteien mit mehr Stimmen einen größeren Anspruch haben. Es gibt natürlich keine halben/eindrittel/einachtel/usw.-Sitze.

Es ist trotzdem nicht verkehrt, eine solche Partei zu wählen, wenn sie deine Positionen am ehesten widerspiegelt, denn durch deine Stimme erhält die jeweilige Partei auch dann Einfluss, wenn sie es nicht ins Parlament schafft und kann ihre politische Arbeit ausbauen.

Als Orientierungshilfe kannst du natürlich den Wahl-O-Mat nutzen, aber vergiss nicht, dass dein Ergebnis auch maßgeblich von der Fragenauswahl abhängt die dort zur Verfügung steht. In diesem Beitrag findest du ein paar Hintergrundinfos zu den einzelnen Fragen.

Warum soll ich wählen?

Hier ein Text den ich mal für eine andere Wahl geschrieben habe, der aber noch immer aktuell ist:

1. Verantwortung

Wir haben das Glück in einer Demokratie zu leben, aber wie die Meisten wissen, war das nicht immer so. Es gibt weit mehr Länder auf der Welt, in denen das Volk nicht mitbestimmen kann, als es Demokratien gibt. Und auch die Demokratien geraten hier und da ins wanken. Aber die meisten Länder, in denen Demokratie herrscht haben einen langen und oftmals blutigen Weg hinter sich. Es sind Menschen gestorben um Dir eine Stimme zu geben. Es sind Menschen gestorben um zu ermöglichen, dass Du eben nicht nur von oben herab regiert wirst, sondern, dass Du mitentscheiden kannst, wer in diesem Land bestimmt und wer nicht. Das sollte man sich stets vor Augen führen, wenn man überlegt ob man von seinem Wahlrecht Gebrauch macht. Außerdem trägst Du als Bürger einer Demokratie die Verantwortung dafür, dass die Menschen in Deinem Land auch weiterhin wählen gehen können. Würde niemand wählen gehen, könnte der eine oder andere auf die Idee kommen, Wahlen wären überflüssig…

2. Rücksicht

Wie schon erwähnt gibt es viele Länder in denen keine Demokratie herrscht. Das bedeutet natürlich, dass es auch viele Menschen gibt, die nicht wählen dürfen. Diese Menschen wären froh, wenn sie sich an ihrer Politik beteiligen können. Aber Demokratie funktioniert nur, wenn sich möglichst viele daran beteiligen. Je mehr Menschen sich an einer Demokratie beteiligen desto stärker ist die Demokratie und das Land in der sie herrscht. Das wiederum stärkt die demokratischen Gemeinschaften weltweit und demokratische Länder können ihre Interessen und Werte gegen undemokratische Länder mit diesem Rückhalt viel besser durchsetzen. Außerdem hilft es den Menschen in bisher undemokratischen Ländern vielleicht selbst ein demokratisches System einzuführen. Du übernimmst also nicht nur Verantwortung für Dein eigenes Land, sondern hilfst mit deiner Stimme auch, dass andere vielleicht eines Tages eine Stimme bekommen.

3. Meckern

Wir kennen alle die Situation: Politiker entscheiden irgendetwas, das uns nicht gefällt. Ob wir sie nun gewählt haben oder nicht, früher oder später kommt der Punkt an dem etwas entschieden wird mit dem wir nicht einverstanden sind. Also warum überhaupt wählen?

Ganz einfach, wenn Du wählen gehst kannst du dich mit vollem Recht darüber aufregen, was “die da oben” schon wieder für einen Käse machen. Warst Du nicht wählen ist das schwierig, denn: Wenn Du schon von Anfang an sagst, es ist Dir egal wer entscheidet wirkt jedes Gemecker unglaubwürdig. Das ist dann als ob Dich jemand fragen würde “magst du lieber ein Gummibärchen oder ein Stück Schokolade” und Du sagst es sei Dir egal, aber hinterher regst du dich darüber auf, dass du ein Gummibärchen bekommen hast. Passt nicht zusammen oder?

Übrigens, auch wenn diejenigen die Du gewählt hast Mist bauen kannst Du Dich darüber aufregen und gerade dann hat deine Stimme doppelt Gewicht, denn die Partei der Du Dein Vertrauen geschenkt hast muss bei der nächsten Wahl um Deine Stimme bangen.

4. Eigennutz

Ganz zum Schluss gibt es natürlich auch den ganz gewöhnlichen Eigennutz. Wenn Du wählst kannst Du Dich einfach für das entscheiden was du für richtig hälst. Was für Dich persönlich am Besten ist und was Dir in Deiner ganz eigenen Lebenslage helfen könnte. Wählen zu gehen ist wirklich kein großer Aufwand, aber Du hast mit deiner Stimme die Chance das Land so zu beeinflussen, dass es Dir persönlich hilft. Wäre doch dumm, diese Chance nicht zu nutzen. Und selbst wenn Du jetzt sagst: “Ja, aber ich mag gar keinen von denen.” Dann kannst Du immer noch die wählen, die Du am wenigsten schlimm findest. Auch damit hilfst Du Dir selbst, denn wenn man sich entscheiden kann ist es doch schlauer das geringere Übel zu wählen, als anderen die Entscheidung zu überlassen.

Also, übernimm Verantwortung für die Vergangenheit, nimm Rücksicht auf die freie Welt und auf die, die noch nicht dazu gehören, erwirb das Recht zu Meckern und Dich über Politik aufzuregen und wenn alles nichts hilft, dann handle aus Eigennutz und GEH WÄHLEN (am 26.05.2019), die Demokratie braucht Dich (und Du brauchst die Demokratie, auch wenn Du das vielleicht nicht glaubst)!