Über „Identität“ und „Identifizieren“ Nachttext

Über „Identität“ und „Identifizieren“ Nachttext

11. August 2019 1 Von Boris Biba

In meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit dem Thema der „Europäischen Identität“ befasst und dabei musste ich zunächst klären, was der Begriff „Identität“ bedeutet. Dieser Artikel soll einerseits die in meiner Arbeit getroffene Definition nochmals aufgreifen und andererseits vielleicht ein paar Missverständnisse über das Verhältnis zwischen „Identität“ und „Identifizieren“ ausräumen.

Vorneweg möchte ich anmerken, dass ich keine psychologische und/oder physikalische Ausbildung habe, weshalb sich meine Thesen vielleicht nicht hundertprozentig mit dem aktuellen wissenschaftlichen Stand decken. Wem hier ein Fehler auffällt, der darf mich sehr gerne darüber in Kenntnis setzen. Ich verzichte diesmal komplett auf Quellenangaben, weil es gerade 2:25 Uhr ist und ich für den Text mit Quellen ungefähr doppelt so lange bräuchte. Außerdem bin ich später eh etwas in die Komödie abgedriftet.

Was ist also Identität?

Es gibt mehrere Möglichkeiten den Begriff zu definieren, weshalb ich mich in meiner B.A.-Arbeit entschlossen habe, den kleinst möglichen Nenner zu finden. Und dieser lässt sich aus dem Leibnizischen Identitätsbegriff herleiten. Dieser besagt, dass ein Gegenstand A mit einem Gegenstand B genau dann identisch ist, wenn zwischen den beiden kein Unterschied besteht. Also A=B wenn B=A, was bedeutet A=A. Das klingt erstmal sehr abstrakt, ist aber eigentlich banal: Dieser Tisch ist dieser Tisch, weil er sich von sich selbst nicht unterscheidet.

Auf dieser Grundlage wird auch schnell deutlich, woran wir den Begriff Identität festmachen. Nämlich an den Unterschieden zu anderen Gegenständen. Diese Unterschiede können sich in vielen Eigenschaften ausdrücken, also z.B. hat der Tisch vier Beine, eine braune Farbe, besteht aus Holz usw. Die wohl offensichtlichsten und eindeutigsten Merkmale einer Identität ist der Platz eines Gegenstands in Raum und Zeit. Der vierbeinige, braune Holztisch, der jetzt da in der Ecke steht ist eindeutig ein anderer Tisch als der vierbeinige braune Holztisch, der zum gleichen Zeitpunkt mitten im Raum steht. Die beiden Tische sind, obwohl sie viele Eigenschaften teilen nicht identisch. Ihre Identität ist also verschieden. Je ähnlicher sich zwei Gegenstände sind, desto mehr muss man nach Unterschieden suchen um sie zu „identifizieren“. Womit wir jetzt auch den anderen Begriff eingeführt haben, der später aber noch erklärt werden muss.

Identität ist also die Kombination der Eigenschaften eines Gegenstandes, wobei Ort und Zeit die wohl wichtigsten Eigenschaften sind. Denn sie sind, in der Regel unverwechselbar. Es gibt zu einem bestimmten Zeitpunkt nur einen Ort, an dem sich ein Gegenstand aufhalten kann und an diesem Ort kann sich nicht gleichzeitig ein anderer Gegenstand aufhalten (weil der Platz halt schon besetzt ist).

So. Jetzt kommen wir mal ein bisschen von dem stelzigen Philosophengefasel weg und übertragen das auf Menschen, denn das ist ja das Interessante.

Aber vorher klären wir noch kurz was „Identifizieren“ heißt:

Im Bezug auf das oben Geschriebene bedeutet „Identifizieren“ das Erkennen der Eigenschaften, die einen Gegenstand von allen anderen Gegenständen zu einem bestimmten Zeitpunkt unterscheidet.

Identität und Identifizieren beim Menschen

Den meisten Menschen dürfte es schwer fallen, ihre Identität daran festzumachen, dass sie halt gerade an einem Ort sind, an dem sich gleichzeitig kein anderer Mensch aufhalten kann.

Menschen sind da nunmal ein bisschen beknackter und müssen es kompliziert machen, indem sie erst nach den Gemeinsamkeiten mit den einen Menschen suchen und sich dann anhand der Unterschiede von anderen Menschen über (teils bescheuerte) Bewertungssysteme distanzieren.

Sie bilden Gruppen. Wir-Gruppen und Dieda-Gruppen. Die Wir-Gruppen zeichnen sich meist dadurch aus, dass die Gruppenmitglieder eine bestimmte (vermeintlich) tolle Eigenschaft teilen, welche die Dieda-Gruppen eher nicht haben. So: „Yay, wir haben alle Warzen auf den Nasen und ihr nicht – ätschbätsch!“

Wie vorhin beschrieben ist Identität die Kombination aller (ja auch der unangenehmen) Eigenschaften eines Menschen (ja, auch Menschen können in der Philosophie Gegenstände sein, darin liegt keine Wertung).

Die gar nicht sooo steile These:

Menschen verkacken grandios das Identifizieren, weil es einfach super anstrengend ist, andauernd alle Eigenschaften an sich selbst und anderen zu überprüfen, um sich sicher zu sein, dass „ich“ noch „ich“ bin und nicht plötzlich der Eugen, der jetzt da steht wo ich vorhin gestanden habe und mir auch noch überraschend ähnlich sieht („hallo Eugen!“ *winke winke*). Deshalb suchen sich Menschen eine (vermeintlich) tolle Eigenschaft aus, die sie zumindest von vielen anderen unterscheidet. Z.B. den Beruf, mit dem sie sich dann „identifizieren“ (klingelts?). Das ist insofern praktisch, weil Menschen als soziale Gegenstände sowieso zur Gruppenbildung (also nicht Bildung im Sinne von lernen – das wäre schön – sondern im Sinne von „entstehen“) neigen. Und Bäcker sich nunmal total gut mit anderen Bäckern verstehen, weil sie halt die Eigenschaft „Bäcker sein“ teilen, die sie von den doofen Metzgern unterscheidet.

Ist eben viel einfacher, sich eine Eigenschaft zu merken die man toll findet als dauernd hundert Eigenschaften zu vergleichen, die man vielleicht gar nicht bewerten kann. („Hast du da einen Leberfleck? Ich hab da keinen, aber dafür da hinter dem kleinen Finger einen…“)

Entschuldigung, ich bin etwas abgeschweift.

Das Umfeld – die sogenannte Sozialisation (nicht mit Sozialstation verwechseln) – spielt natürlich eine Rolle dabei, mit welchen Eigenschaften sich Menschen identifizieren. Welche Eigenschaften überhaupt toll sind und welche nicht und ob man lieber Klopapier oder Wasser benutzt. Das kann auch, je nach Situation wechseln. Wenn die Gruppe der Bäcker nicht gerade über die Metzger ablästert, lästern vielleicht die Brezelbäcker über die Brötchenbäcker – ach und von den Brotbäckern will ich gar nicht erst anfangen…

Schlussfolgerung:

Das eigentliche Identifizieren funktioniert bei Menschen nicht, weil es entweder zu aufwändig ist oder nicht zum nötigen Zusammengehörigkeitsgefühl bzw. zum „ich-bin-besser-als-du-Gefühl“ führt. Wobei, man könnte annehmen, dass sich Menschen, die auf der einen Seite des Zauns wohnen schon allein dadurch, dass sie eben da wohnen denen überlegen fühlen, die auf der anderen Seite wohnen (nicht, dass es das irgendwo geben würde… *hust*).

Wir sehen: Das Identifizieren mit einer tollen Eigenschaft ist nicht (immer) so sinnvoll und das identifizieren mit einer schlechten Eigenschaft ist natürlich noch weniger sinnvoll, wenn es darum geht die eigene Identität zu bestimmen.

Was ist dann sinnvoll? – Ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, womit man sich warum und in welcher Situation identifiziert und dass diese eine Eigenschaft nicht den ganzen Menschen ausmacht. Das gilt für einen selbst, aber auch für andere. Besonders bei Fremden, von denen wir wenig wissen neigen wir dazu von sichtbaren Eigenschaften auf unsichtbare zu schließen. „Ey, der dicke Typ im Unterhemd da drüben sitzt bestimmt den ganzen Tag vor der Glotze und ist arbeitslos.“ – Das ist ein gemeines Vorurteil, vielleicht ist der gar nicht dick, vielleicht hat der nur ein Kissen unter das Unterhemd gesteckt… na, du weißt schon was ich sagen wollte.

Aber wenn du jetzt doch etwas brauchst an dem du dich festhalten kannst, dann springen wir doch nochmal zurück zum Identitätsbegriff: Das tolle an der obigen Definition ist nämlich, dass du dir gar nicht so viele Gedanken darüber machen musst was dich jetzt „ausmacht“. Du bist du und sogar dann, wenn du gar nicht alle deine Eigenschaften kennst und aufzählen kannst, eines ist ganz klar: Den Platz, den du auf der Welt einnimmst, den kann schon mal niemand anderes haben und das ist doch irgendwie tröstlich, oder? Viel wichtiger als das was man ist – ist das was man tut. Sollen sich doch andere darüber den Kopf zerbrechen, in welche Schublade sie dich stecken sollen 😉

Gute Nacht^^

PS: Zufällige Übereinstimmungen mit bestimmten Berufsgruppen mit Beispielen im Text sind rein zufällig. Beim Erstellen des Textes wurden keine Bäcker oder Metzger verletzt.