Landtagswahlen 2023 in Hessen und Bayern

9. Oktober 2023 1 Von Boris Biba

Die Reaktionen zur Wahl habe ich mir hier angeschaut.

Und wenn man diese Reaktionen liest, fragt man sich – warum sehen die ihre Fehler nicht?

Gehen wir das mal Partei für Partei durch:

SPD

Die SPD hat in beiden Bundesländern Stimmen verloren. Die Reaktion von Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender:

„Das sind zwei Niederlagen für die SPD“, sagte er in der ARD. Er gratulierte CDU und CSU jeweils zu Platz eins. Die SPD werde das Ergebnis jetzt aufarbeiten, kündigte Klingbeil an. Im Vordergrund stünden landespolitische Entscheidungen, die Ergebnisse seien aber auch „ein Signal an die drei Ampel-Parteien, dass es ein anderes Tempo braucht, wenn es darum geht, die Probleme der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu lösen“. Er nannte bezahlbare Mieten und Energiepreise, gute Löhne und stabile Renten. Deutschland müsse wieder zu einer starken Wirtschaftsnation gemacht werden.

https://www.deutschlandfunk.de/nachrichtenblog-landtagswahlen-in-bayern-und-in-hessen-100.html

Immerhin gibt es hier die Einsicht, dass es ein schlechtes Ergebnis ist. Aber die Schlussfolgerungen würde ich mindestens für diskutabel halten. Die Bundesregierung legt ein überraschendes Tempo vor – das ist also nicht das Problem. Nein, meine persönliche Einschätzung wäre eher, dass SPD-Wähler eben keine SPD wählen wollen, deren Kanzler sich offen von der Mitfinanzierung von Seenotrettungs-Schiffen im Mittelmeer distanziert (https://www.tagesschau.de/inland/bundesregierung-seenotrettung-100.html).

Gut, was will man von einem Mann erwarten, bei dem schon als Hamburger Bürgermeister der Brechmitteleinsatz bei Jugendlichen oder eben gewisse Finanz-Skandale keinerlei Skrupel entstehen.

Also, ist das die beste Personalie die die SPD zu bieten hat?

Die anderen Gründe – nun, da geht es weniger um Tempo in der Regierung. Vielmehr müssen Ämter, Kommunen und Konzerne vor den eigenen Türen kehren. Viel zu oft werden hier wissenschaftliche Erkenntnisse verdrängt um so weiter zu machen wie bisher. Von der Arbeitszeitreduzierung, die zu Produktivitätssteigerung führen kann, bis zum Ausbau von erneuerbaren Energien, deren Industrie aufgrund von massiven Fehlentscheidungen (schon in der Vorgängerregierung) zum größten Teil abgewandert ist. Stabile Renten? – Ist eh ein Witz, das Thema mit “Tempo” in Verbindung zu setzen, für alle die jetzt in Rente gehen ist der Keks schon gegessen und für alle anderen ist “Tempo” hier auch relativ… unwichtig? Zumal die Renten ja stabil sind, nur halt ungerecht… und an an den falschen Stellen zu niedrig. Wo Tempo wichtig wäre – beim Klimaschutz. Oder Herr Klimakanzler? Heiliger Bimbam, die Bezeichnung ist so peinlich wie das Schweigen, nachdem jemand in einer vollbesetzten Kirche laut “PENIS” gerufen hat. Bezahlbare Mieten ist allerdings ein Thema wo mehr Tempo sinnvoll wäre, würde man nicht in die falsche Richtung rennen. Und die Kommunen haben sich die Grube in vielen Fällen selbst ausgehoben (nur leider nicht um zu bauen).

Die Linke

Hier die Reaktion der Linke-Parteivorsitzenden Janine Wissler:

Wissler sprach in der ARD von einem „bitteren Abend“. Die Linke wird in Hessen voraussichtlich nicht mehr im Landtag vertreten sein wird. Immens geschadet hätten auch die Spekulationen über eine Parteineugründung durch die Linken-Politikerin Wagenknecht. „Natürlich ist das ein Problem“.

https://www.deutschlandfunk.de/nachrichtenblog-landtagswahlen-in-bayern-und-in-hessen-100.html

Was der Linken in meinen Augen mehr schadet als eine irrlichternde Sarah Wagenknecht ist, dass sie es nicht schaffen diese aus dem Rampenlicht zu drängen. Ich habe das Gefühl, wenn ich den Linken meine Stimme gebe – ich weiß nicht für was ich da eigentlich stimme. Außer eben für eine Partei die tief gespalten und zerstritten ist.

FDP

Die Reaktion des FDP-Generalsekretärs Bijan Djir-Sarai:

Es sei nicht um landespolitische Themen, sondern „die bundespolitische Stimmung“ gegangen, sagte Djir-Sarai in der ARD. Bei den entscheidenden Fragen, der wirtschaftlichen Entwicklung und dem „Megathema“ Migration, müsse die Koalition ein gemeinsames Verständnis entwickeln. Dies sei aus seiner Sicht lange nicht der Fall gewesen. „Da müssen wir uns zusammensetzen, was wir gemeinsam als Koalition erreichen können“, betonte der FDP-Generalsekretär. Die Herausforderungen seien „enorm“, dies könne niemand wegreden.

https://www.deutschlandfunk.de/nachrichtenblog-landtagswahlen-in-bayern-und-in-hessen-100.html

Is eigentlich ein Witz, wenn die FDP von Zusammenarbeit in der Ampelkoalition redet, gerade die Fraktion die stets blockiert, verlangsamt und aufweicht, was wichtig wäre. Die FDP hat sich bemüht sich ein “schärferes Profil” zu geben – tja, hat wohl geklappt, jetzt wissen die Menschen woran sie sind bzw. wären, denn mit dem Landtag wird es voraussichtlich nichts.

Ob die FDP das versteht ist aber fraglich, wahrscheinlich sind da doch wieder die anderen schuld.

Die Grünen

Ja, Bündnis90/die Grünen heißt das eigentlich. Aber die 90er sind halt schon seit über 20 Jahre vorbei.

Hier die Reaktion vom hessischen Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir:

„Alle Parteien, die an der Bundesregierung beteiligt sind, hatten keinen Rückenwind“, sagte Al-Wazir in Wiesbaden. „Wir mussten bergauf kämpfen.“ Seinen Parteifreunden in Hessen bescheinigte Al-Wazir, einen „Superwahlkampf“ gemacht zu haben. „Natürlich“ hätten sich die Grünen im Land ein besseres Ergebnis gewünscht, sagte er. Er wertete das Ergebnis seiner Partei aber trotz Verlusten als Erfolg. Die Wahl zeige auch, dass es in Hessen keine Wechselstimmung gebe, sagte Al-Wazir mit Blick auf eine mögliche Fortsetzung der Koalition von CDU und Grünen in dem Bundesland.

https://www.deutschlandfunk.de/nachrichtenblog-landtagswahlen-in-bayern-und-in-hessen-100.html

Im Grunde ist der erste Satz im Zitat sehr treffend, aber er kann doch keine Rechtfertigung sein. Ach, den anderen geht es auch so, da sind wir doch in guter Gesellschaft. Von den Grünen in der Bundesregierung (und in den Landesregierungen) würde man sich vielleicht mehr “Grün” wünschen. Gut, dass es da in der aktuellen Lage an vielen Stellen keinen Spielraum gibt sei dahin gestellt. Ich denke, viele Menschen, die vorher die Grünen gewählt haben, fragen sich, wo die Bewegung in diese Richtung bleibt. Denn angesichts der Klimathemen gibt es genug Bereiche die man angehen muss. Nicht unbedingt um zu verhindern (das sehe ich global nicht mehr), aber um zu lindern (das geht auch lokal/national).

Immerhin, zumindest in meinem persönlichen Bewegungskreis waren kaum Wahlplakate von den Grünen zu sehen, also auch kein Papiermüll – aber ob das wirklich die Absicht hinter der Abwesenheit der Wahlwerbung war?

Die “Gewinner”

Ich suche hier mal keine weiteren Zitate raus – ist ja eh nur ein “Yeah, wir sind geil und alle anderen doof.”

CDU/CSU

Beide Parteien dümpeln in ihren Bundesländern bei um die 34-37 % (aktuelle Rechnungen 00:14 – 09.10.2023). Ich verstehe nicht, wie man sich als regierende Partei mit diesen Werten als großer Sieger präsentieren kann. Leute, ungefähr 63 % der Wahlbeteiligten haben euch NICHT gewählt. Da gibt es noch jede Menge Punkte über die man sich Gedanken machen könnte (und sollte).

FW (Nein, nicht die Feuerwehr)

Für eine “Nicht-Partei” sind die Ergebnisse tatsächlich bemerkenswert, allerdings liegt es in der Natur der Freien Wähler, dass sie sich lokal teilweise sehr stark voneinander unterscheiden. Das bietet ihnen in der aktuellen Lage einen entscheidenden Vorteil (also, zusätzlich dazu, dass sie eher liberal sind, aber nicht in der Ampel): Sie können in Landtagswahlen besser Landeswahlkampf machen als es Parteien können die auf Bundesebene agieren und sich hier abstimmen müssen. Wobei ihnen da vielleicht auch ein bisschen die Ratlosigkeit der Wähler zu Gute kommt. Nach dem Motto: “Ok, ich weiß echt nicht was ich wählen soll, dann wähle ich halt die, von denen ich nicht weiß, dass ich sie nicht wählen will.”

AfD

Es. Ist. Nicht. Zu. Glauben.

Und doch ist es wahr. Ich habe die hier als “Gewinner” aufgeführt (und sie führen sich selbst auch so auf, wenn sie nicht gerade die Berufsopfer spielen), aber wenn das was diese Partei anstrebt umgesetzt wird, verlieren alle. Also, wirklich alle. Außer die, von denen man auf keinen Fall will, dass sie irgendwas irgendwo irgendwie gewinnen (und du gehörst da nicht dazu, falls du gerade grinst).

Was viele noch nicht verstanden haben: Die AfD wird nicht zum Trotz gewählt. Sie wird nicht gewählt OBWOHL sie so ist wie sie ist, sondern WEIL sie so ist wie sie ist. Was nicht heißt, dass man sich in ihre Richtung bewegen sollte. Im Gegenteil. Man darf den Schaden, den die AfD ohnehin schon in der Gesellschaft und im politischen Umgang angerichtet hat, nicht noch vergrößern indem man es ihnen gleich tut oder nach macht.

Welchen Fehler macht die AfD? Jeden. Aber sie haben es geschafft, dass ihre Wähler sie genau dafür wählen.

Fazit

Es scheint in beiden Bundesländern regierungstechnisch so zu bleiben wie es ist. In der Opposition ändert sich vermutlich die stärkste Kraft. Gut ist das nicht – aber schlimmer geht’s bekanntlich immer.