Kettenbrecher und Kommunikation

21. Juni 2020 2 Von Boris Biba

In diesem Beitrag geht es um das “das war bei mir auch so”-“Argument” und ein bisschen um Kommunikation allgemein.

Was ist ein Kettenbrecher?

Als Kettenbrecher bezeichne ich einen Denkanstoß der andere oder mich selbst dazu veranlasst die eigene Gedanken- oder Handlungskette zu unterbrechen und zu hinterfragen. Es gibt bestimmt einen Fachbegriff dafür, aber es ist gerade 2:00 Uhr und ich will das jetzt nur loswerden 😛

Kettenbrecher eignen sich besonders gut gegen “das war bei mir auch so”-“Argumente”. Z.B. müssen sich viele Azubis auf dem Bau anhören: “Ja beschwer dich nicht über deine unbezahlten Überstunden, das war bei mir auch so als Azubi. So ist das halt.” Oder manche Kinder hören von ihren Eltern: “Das hat mein Vater/meine Mutter mit mir auch gemacht, also stell dich nicht so an.”

Diese “Argumente” sind zwar eigentlich keine, aber darauf geeignet zu Antworten fällt trotzdem schwer. Denn sie suggerieren, dass man sich unfair verhalten würde, wenn man sich gegen die Umstände, gegen die sich der Gegenüber nicht gewehrt hat (oder wehren konnte) nun selbst wehrt. Es ist ja unsolidarisch, wenn man nicht die gleiche Ungerechtigkeit erträgt, wie der/die andere sie ertragen musste. Zudem besteht die Gefahr, dass man als schwach wahrgenommen wird, wenn man das jetzt nicht auch aushält. Natürlich ist das Quatsch, aber es ist eben schwer dagegen anzukommen.

Ein Kettenbrecher kann da helfen und ein guter Kettenbrecher stellt durch eine harmlose Frage die bestehende Rollenverteilung auf den Kopf. Bleiben wir bei dem Beispiel auf dem Bau:

Die Meisterin hat dem Azubi das obige Zitat gerade hin geknallt nachdem dieser die Überstunden kritisiert hat: “Ja beschwer dich nicht über deine unbezahlten Überstunden, das war bei mir auch so als Azubi. So ist das halt.” Vielleicht noch mit dem “netten” Zusatz: “Ich muss ja auch weiterarbeiten.” Und schwub wäre der Azubi in der Rolle des Drückebergers, der nicht nur nicht bereit ist unbezahlte Überstunden zu machen (was ja wohl als Azubi quasi seine Pflicht ist) sondern auch noch jetzt aufhören will zu arbeiten und damit die Kollegin im Stich lässt.

Ein passender Kettenbrecher wäre: “Fandest du das damals gut?”

Die Antwort kann eigentlich nur “nein” lauten (wer mag schon unbezahlte Überstunden?). Die Rollen sind dann vertauscht: Der Azubi ist nicht mehr der Drückeberger, sondern die Meisterin ist die, welche dem Azubi etwas ‘antut’ was sie schon nicht gut finden konnte als sie selbst in seiner Situation war. Sie wird vom Opfer des Drückebergers zur Unterdrückerin.

Die harmlose Frage, danach wie Sie sich denn in der Situation, in der sich der Azubi nun befindet, gefühlt hat bringt die Meisterin dazu, sich mit ihrem eigenen Handeln auseinander zu setzen (eine gewisse Fähigkeit zur Selbstreflektion vorausgesetzt).

Das heißt natürlich nicht, dass der Azubi dann sofort nach Hause gehen darf (da braucht es dann schon sehr viel Überwindung und persönliche Größe von Seiten der Meisterin). Aber die Gedankenkette, dass es in Ordnung ist, andere in die gleiche Situation zu bringen, die man selbst schon doof fand wurde im besten Fall unterbrochen. Im schlimmsten Fall bleiben dem Azubi weitere “das war bei mir auch so”-Kommentare in Zukunft erspart.

Kettenbrecher erinnern uns also daran, dass andere nicht zwingend das gleiche doofe Zeug durchmachen müssen wie wir selbst, nur weil wir es durchmachen mussten. (Und das wir vielleicht am Ende die Bösen sind, wenn wir sie dazu zwingen es doch durch zu machen.)

Kommunikation allgemein

Kettenbrecher gehören zur Kategorie “wie sage ich etwas so, dass der andere verstehen kann was ich meine”.

Sich verständlich auszudrücken ist in vielen Fällen gar nicht so einfach. Manchmal gibt es so viele Hürden, dass man sich fragen könnte wie es Menschen überhaupt schaffen konstruktiv miteinander zu kommunizieren.

Die Antwort ist so schwierig wie einfach: Man überlegt sich vorher, welche Aussage dem/der ANDEREN etwas bringt und womit er/sie etwas anfangen kann.

Wer seinem Team sagt: “Was ihr da gemacht habt ist kacke.” Hat vielleicht recht, ist aber nicht konstruktiv. Dem Team bringt es nichts zu wissen, dass das was sie gemacht haben kacke ist. Was dem Team etwas bringt ist, wenn man ihm sagt wie sie es besser machen können. Und zwar so, dass sie damit auch etwas anfangen können.

Man muss dann vorher auch gar nicht sagen, dass es bisher kacke war. Das Team merkt das dann schon, wenn sie es hinterher besser machen und wenn nicht, spielt es auch keine Rolle mehr.

Also: Ein “das machst du falsch” bringt wenig wenn da kein “so könntest du es besser machen” mit dran hängt. Und meistens braucht es das “das machst du falsch” gar nicht. Die Zeit kann man getrost in das “so könntest du das besser machen” investieren um das noch konstruktiver anzubringen 😉

Gute Nacht 😛 Oder Morgen oder Mittag oder Abend… je nachdem wann du das liest…

PS: Überstunden verstoßen für minderjährige Azubis in den meisten Fällen gegen das Arbeitsrecht, egal ob sie bezahlt werden oder nicht.