
Die Veränderung der Zeit
Kennst du das? Du willst eine Sache machen und stellst dabei fest, dass du vorher etwas anderes erledigen musst und davor noch was anderes aber um das zu tun brauchst du erst dies oder jenes und dann endest du dabei wie du Leuten im Internet die Zeit erklärst, statt deine Socken anzuziehen.
Nunja, ich hab Socken an, aber vorhin war das noch anders….
Viele Menschen halten Zeit für eine Art unsichtbare Kraft. Für ein Ding, dass uns umgibt, wie z.B. die Luft oder der Raum. Man sagt ja auch “durch Raum und Zeit”, das suggeriert, dass Zeit und Raum gleichwertig nebeneinander existieren. Ich glaube, dass ist nicht ganz richtig.
Was ist genau Zeit?
Zeit ist unser Konzept von Veränderung. Wenn wir sagen: “Die Zeit steht still”, dann meinen wir eigentlich, dass keine Veränderung stattfindet. Wir ordnen bestimmte Veränderungen einem Maß zu. Der Zeit bzw. Nano-, Milli-, Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate usw..
Die Zeit ist also ein Maß für Veränderung, so wie Millimeter, Centimeter, Meter usw. Maße für den Raum sind. Aber trotzdem sind Zeit und Raum nicht ganz gleichwertig.
Damit Veränderung stattfinden kann, braucht es den Raum. Es muss Irgendwas irgendwo existieren und dieses Etwas muss sich verändern. Diese Veränderung kann man dann messen und daraus kann dann ein Konzept von Zeit entstehen. Aber Zeit für sich genommen ist kein Ding.
Zeit als Konzept, damit es möglichst nahe an das ran kommt, was Menschen denken, ist die Summe aller Veränderungen die im Raum ständig passieren. Diese Veränderung können wir wahrnehmen. Wir lernen, dass bestimmte Veränderungen schneller passieren als andere und entwickeln dafür ein Gefühl. Das Zeitgefühl.
Gäbe es ein Ereignis im Universum – oder auch nur in unserem wahrnehmbaren Teil davon – das alle Veränderungen verlangsamt. Wir würden es nicht merken, denn es gibt keine Grundkonstante für Veränderungen. Sie stehen immer in Relation zu anderen Veränderungen. Klar es gibt den Stillstand, aber der drückt sich für uns durch die Abwesenheit von Veränderung aus. Wir schauen uns einen Stein an und denken: “Der verändert sich nicht.” Erst wenn wir ihn vielleicht ein paar Wochen oder gar Jahre beobachten stellen wir eine Veränderung fest. Korrosion macht sich am Stein zu schaffen oder es wächst Moos darauf. Wir sagen vielleicht “der Zahn der Zeit nagt am Stein”. Aber damit sind die kleinen, kaum wahrnehmbaren Veränderungen gemeint, die wir vielleicht erst bemerken, wenn sich schon ganz viel auf kleinstem Raum (auf Atomebene) verändert hat. Wie schnell uns uns diese Veränderungen vorkommen ist abhängig davon wie schnell sich andere Dinge um diese Veränderung herum verändern (sorry, blöder Satz). Wir können Veränderung nicht in Relation zum Stillstand messen – nur in Relation zu anderer Veränderung. Daher würden wir nicht merken, wenn sich einfach alles 100 oder gar 1000-Fach verlangsamen oder beschleunigen würde.
So wie das in Filmen manchmal dargestellt wird, wenn die Zeit still steht, sich aber die Hauptpersonen noch bewegen können. Alle, die im Zeitstillstand gefangen waren, können sich nicht daran erinnern, dass überhaupt etwas war.
Vielleicht ist das schon ganz oft im Universum passiert. Durch ein gigantisches kosmisches Ereignis wurde alle Veränderung für vielleicht Millionen Jahre ausgesetzt. Unwahscheinlich. Aber gemerkt hätten wir es nicht.
Das Zeitparadoxon
Wir messen Zeit durch Veränderung und messen Veränderungen anhand von Zeit, wenn Zeit nun ein Konzept ist, das aus Veränderungen besteht – dann messen wir Veränderungen in Relation zu anderen Veränderungen. Wie oben schon erwähnt, würden wir dadurch gar nicht merken, wenn sich alle Veränderungen gleichzeitig beschleunigen oder verlangsamen. Wir könnten im Alltag wahrscheinlich nichtmal merken, dass die Uhren alle schneller ticken, obwohl alles andere seine Veränderungsgeschwindigkeit beibehält. Naja, merken könnten wir es schon, aber wie misst man das? Womit? Mit ner Uhr gehts ja nu nicht.
Ja und?
Zeit, also die Summe und Geschwindigkeit von Veränderungen, ist für Menschen etwas wonach sie ihr Leben ausrichten. Wir “haben keine Zeit”. Oder wir “kommen zu spät”. Das ist natürlich Quatsch. Die Veränderungen unseres eigenenen Zustands sind nur nicht derart, dass sie zu Veränderungen unserer Umwelt so passen, als das wir bestimmte Veränderungen mit anderen Veränderungen kombinieren können. Kommst du zu spät zum Besuch bei der Oma hat sich die Erdbeertorte vielleicht schon so verändert, dass sie im Bauch deines Bruders ist 😉
Wir können zwar Veränderungen (und ihre Dauer) abschätzen – aber das heißt nicht, dass wir sie immer beeinflussen können. Wenn die “Zeit” mal wieder schneller an uns vorüber zieht als wir es gerne hätten, sollten wir uns bewusst machen, dass wir auf viele (ja sogar auf die meisten) Veränderungen unserer Umwelt gar keinen Einfluss haben. Wir können den Atomen nicht befehlen, sich langsamer zu drehen, damit die blöde Ampel noch länger auf grün bleibt.
Worum es also wirklich geht, sind die Veränderungen, die wir erleben dürfen. Es geht nicht um die Summe der Veränderungen (Zeit) die wir im Leben erleben, sondern um die Veränderungen die wir bewusst wahrnehmen und als wertvoll bezeichnen dürfen. Und es ist nicht unsere Schuld wenn die Welt sich auf eine Art und Weise verändert, dass wir irgendwo nicht im richtigen Moment ankommen. Vielleicht sorgt genau diese Verspätung im Gefüge der Veränderungen für eine Veränderung, die günstig für uns ist (wenn sich wieder etwas mehr verändert hat bzw. mehr “Zeit vergangen ist”) 🙂
Zeit auf Zeit zu verzichten
Ich bin dafür, das Konzept von Zeit – und wie wir unsere Leben danach ausrichten zu ändern. Es macht keinen Sinn, dass wir uns krampfhaft bemühen den immer schneller werdenden Veränderungen durch eigene Veränderungen anzupassen. Wenn sich sowieso ständig alles verändert, wozu dann das Gehetze? Veränderungen sind fertig, wenn sie fertig sind. Klar können wir versuchen sie zu beschleunigen, aber dann kommen nur wieder weitere Veränderungen und danach wieder neue und danach…? Wir sollten uns bemühen, den Veränderungen mehr Raum (ja über den hab ich ganz kurz am Anfang was gesagt) zu geben, die uns gut tun. Und die anderen Veränderungen passieren eben, wenn sie passieren. Wozu der Stress? 😛
“Kommst du zu spät zum Besuch bei der Oma hat sich die Erdbeertorte vielleicht schon so verändert, dass sie im Bauch deines Bruders ist 😉” — wie wahr, wie wahr 😉
Und je älter Du wirst, umso schneller nimmst Du Veränderungen wahr, wahrscheinlich, weil man sich selbst nicht mehr so schnell verändern kann.
Vielleicht. Vielleicht auch, weil eine Veränderung im Verhältnis zu den Veränderungen, die man bereits hinter sich hat, nicht mehr so ins Gewicht fällt. Außer, es ist etwas sehr Außergewöhnliches. Aber es ist wohl besser, das Gewöhnliche zu schätzen, als zu versuchen, das Außergewöhnliche, gewöhnlich werden zu lassen ;P