Artikel 13 – Urheberrechtsreform

Artikel 13 – Urheberrechtsreform

22. Februar 2019 0 Von Boris Biba

Vorbemerkung:

In diesem Artikel versuche ich zu erklären worum es in der Debatte um die Urheberrechtsreform der EU geht. Es war relativ schwierig an Informationen zu gelangen, die nicht entweder von Gegnern oder Befürwortern der Reform bereitgestellt wurden. Z.B. konnte ich (zum Zeitpunkt zu dem ich diesen Beitrag schreibe) keinen offiziellen Originaltext der Endfassung der Reform finden. Das heißt, ich verlasse mich auf die Quellen der Befürworter und Gegner, daher gelten Aussagen über das was in Artikel 13 steht oder nicht steht, unter Vorbehalt.

Was ist los?

Der Europäische Rat hat der ausgehandelten Urheberrechtsreform der EU zugestimmt. Ausgehandelt wurde diese zwischen den Institutionen der Europäischen Union sowie ihren Mitgliedsstaaten. Wegen immer wieder auftauchenden Unstimmigkeiten haben sich die Verhandlungen über mehrere Jahre hinweg hingezogen. Es scheint jetzt aber eine endgültige Fassung vorzuliegen, über die allerdings noch abgestimmt werden muss.

Wird die Reform in ihrer Endfassung bestätigt, gilt sie als Richtlinie an der sich die Mitgliedsstaaten in ihren jeweiligen nationalen Gesetzen zu orientieren haben.

Was ist das Urheberrecht?

Als Urheberrecht wird das Recht bezeichnet, das ein Erschaffer eines Werkes an diesem hat. Ein Werk kann dabei z.B. ein Musikstück, ein Text, ein Foto oder sogar ein besonderes Verfahren sein, das bisher in dieser Form noch nicht existiert hat. Der Erschaffer, bzw. der Urheber bestimmt nach dem Urheberrecht darüber, wie und ob sein Werk veröffentlicht werden darf. Eigentlich ist das gesunder Menschenverstand: Die Idee gehört demjenigen, dem sie eingefallen ist und derjenige darf darüber entscheiden was damit passieren soll. Welche Rechte dem Urheber zustehen, wird im Urheberrecht geregelt.

Warum eine Urheberrechtsreform?

Seit es das Internet gibt wird es immer schwieriger Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Viele Bereiche des Internets leben inzwischen von geteilten Inhalten, Bildern, Videos und Texten. Manchmal hat dabei der Uploader, also, derjenige der das Werk ins Internet stellt nicht das Recht dazu, es handelt sich also um eine Urheberrechtsverletzung. Gerade in sozialen Medien oder auf diversen Plattformen wie youtube oder 9gag werden immer wieder Urheberrechtsverletzungen festgestellt, oft auch vom Uploader ungewollt, z.B. weil im Hintergrund eines Videos ein Musikstück läuft, das geschützt ist.

Um die Möglichkeiten der Urheber zu erweitern, sich gegen die rechtswidrige Verwendung ihrer Werke zu wehren, soll die Urheberrechtsreform durchgeführt werden.

Warum gibt es daran Kritik?

Die Kritik an der Urheberrechtsreform bezieht sich hauptsächlich auf den darin enthaltenen 13. Artikel. Es gibt auch Kritik an Artikel 11, aber auf diese gehe ich hier nicht weiter ein (der Beitrag wird so schon lang genug). Gegner der Reform befürchten durch die Umsetzung von Artikel 13 eine weitreichende Zensur auf großen Internetplattformen durch sogenannte Uploadfilter.

Uploadfilter?

Uploadfilter sind automatisierte Verfahren, bzw. Programme, die verhindern, dass bestimmter Inhalt auf den jeweiligen Internetplattformen bereitgestellt wird. Die Idee ist, dass urheberrechtlich geschützte Werke durch Uploadfilter aussortiert werden. D.h. auf den Plattformen letztlich nur die Inhalte hochgeladen werden können, die urheberrechtlich unbedenklich sind oder für die eine Verwendungserlaubnis (Lizenz) erteilt wurde.

Soviel zum Hintergrundwissen.

Die Debatte:

In der Debatte haben sich mehrere „Lager“ gebildet, die sich zwar grob in Gegner und Befürworter einteilen lassen, jedoch ganz unterschiedliche Argumente vorbringen. Ich möchte hier die Hauptlager und -argumente skizzieren. Dabei wird dann auch gleich auf den Inhalt von Artikel 13 eingegangen.

1. Lager: Die Europäische Union (Befürworter)

Dieses Lager teilt sich eigentlich in drei verschiedene Lager, nämlich das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und die Europäische Kommission. Aber da diese bereits untereinander eine gemeinsame Position verhandelt haben werden sie hier zusammengefasst.

Die offizielle Position habe ich bereits oben erwähnt. Es geht um den Schutz der Urheber vor unrechtmäßiger Verwendung ihrer Werke. Mit Artikel 13 sollen insbesondere auch die Plattformen auf denen Inhalte im Internet geteilt werden in die Pflicht genommen werden. Sie werden künftig mitverantwortlich für das sein, was auf ihren Plattformen hochgeladen und veröffentlicht wird. Wird auf einer Plattform wie z.B. youtube eine Urheberrechtsverletzung festgestellt, ist youtube haftbar, sofern es nicht nachweisen kann, dass sie alles technisch mögliche getan haben um die Urheberrechtsverletzung zu verhindern.

Von „Uploadfiltern“ ist wörtlich laut EU nicht die Rede in Artikel 13. Man kann auch davon ausgehen, dass das stimmt denn 1. kam von den Gegnern nicht die Aussage „doch, da steht’s“ und 2. hätte man „Uploadfilter“ im Gesetzestext definieren müssen und diese Aufgabe kann man sich sparen, wenn man stattdessen einfach von „technischen Möglichkeiten“ spricht. Von Gegnern wird Politikern, die Artikel 13 verteidigen Käuflichkeit und Unkenntnis über die praktischen Folgen vorgeworfen.

2. Lager: Verlage und öffentlich rechtliche Lizenzinhaber (Befürworter)

Gerade Zeitungsverlage und Fernsehsender werden durch das Internet unter Druck gesetzt. Immer mehr Menschen holen sich ihre Informationen nicht mehr aus der analogen Zeitung oder ihre Unterhaltung im Fernsehprogramm, sondern eben über entsprechende Dienste, die im Internet zur Verfügung gestellt werden. Die Verbreitung von Inhalten ist über das Internet schneller und einfacher geworden, zudem können die Inhalte (praktisch, wenn auch unerlaubt) beliebig kopiert werden. Eine Urheberrechtsreform die Internetplattformen für die Inhalte haftbar macht, die auf ihnen von Benutzern bereitgestellt werden kommt den Rechteinhabern zugute. Diese können sich dann nämlich für den Schadensersatz direkt an die Plattformbetreiber wenden und sparen sich die aufwändige und oftmals erfolglose Suche nach dem eigentlichen Rechtsbrecher – dem Benutzer, der fremdes geistiges Eigentum auf die Plattform hochgeladen hat. Als Hauptakteur wird immer wieder der „Axel-Springer Verlag“ genannt, der sich für die Urheberrechtsreform einsetzt. Von Gegnern wird ihm Lobbyismus und einseitige Einflussnahme auf die Entscheidungsträger in der EU vorgeworfen. Ein weiterer Vorwurf ist, dass sich die Verlage durch Artikel 13 höhere Lizenzverkäufe erhoffen, da Internetplattformen zur Vermeidung von Schadensersatzklagen die entsprechenden Verbreitungsrechte erwerben könnten.

3. Lager: Internetplattformen (Gegner)

Die Betreiber von Internetplattformen „youtube“ haben ein Interesse daran, nicht für Inhalte haftbar gemacht zu werden, die möglicherweise von tausenden Nutzern auf ihre Plattformen hochgeladen werden. Sie fürchten hohe Schadensersatzklagen oder hohe Lizenzgebühren und rufen daher auch zum Widerstand gegen die Urheberrechtsreform auf. Ihnen wird von Befürwortern vorgeworfen, mit den Inhalten von dritten weiterhin Geld verdienen zu wollen, ohne die Urheber für ihre Werke angemessen zu entlohnen. Der Großteil des Angebots, das auf den Plattformen zur Verfügung steht, wird nicht von der Plattform selbst erstellt, sondern von Nutzern hochgeladen. Die Plattformen generieren Einnahmen durch Werbung, die über die Inhalte geschaltet wird, welche von Nutzern hochgeladen werden. Von diesen Einnahmen erhalten die Urheber der Inhalte, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil.

4. Lager: Internetnutzer, „youtuber“ (das sind Leute die Videos machen und bei youtube hochladen), Bürgerrechtler, Datenschützer, Piraten Partei (Gegner)

Viele Internetnutzer befürchten durch die Umsetzung von Artikel 13 den Einsatz von Uploadfiltern und damit auch eine weitreichende Zensur im Internet. Da Uploadfilter höchstwahrscheinlich mehr Inhalte herausfiltern als sie müssten, sind davon auch unbedenkliche Inhalte betroffen. Sie nehmen an, dass die Plattformbetreiber massiv Inhalte sperren, um sich vor möglichen Schadenersatz zu schützen, auch wenn der Inhalt urheberrechtlich unbedenklich ist. Außerdem kritisieren sie, dass kleinere Plattformbetreiber, z.B. Foren, ihr Angebot schließen müssten, da sie nicht die Mittel haben um zu verhindern, dass urheberrechtlich bedenkliches Material bei ihnen Hochgeladen wird. Sie fürchten um die Kreativität und Meinungsfreiheit im Internet. Ihnen wird von Befürwortern vorgeworfen sich von großen Plattformbetreibern instrumentalisieren zu lassen.

Soweit in der bisherigen Debatte ersichtlich enthält der Artikel 13 keine explizite Verpflichtung zum Einsatz von Uploadfiltern. Dennoch scheinen Uploadfilter der einzige praktikable Weg zu sein, den Anforderungen in Artikel 13 gerecht zu werden. Plattformbetreiber sollen Lizenzen erwerben um ihr Angebot zu legitimieren und sind für die Inhalte haftbar, die Nutzer auf ihnen hochladen.
Es wird deutlich, dass in der Debatte stark polarisiert wird, entweder man ist dafür oder dagegen.

Eine differenzierte Sichtweise:

Die Gefahr, dass Uploadfilter aufgrund von Artikel 13 eingesetzt werden erscheint recht hoch und die Argumente dafür klingen plausibel. Das liegt vor allem daran, dass die Plattformbetreiber für die Verfehlungen ihrer Nutzer zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Hier liegt das eigentliche Problem: Die Verlagerung der Verantwortung vom einzelnen Nutzer, der gegen das Urheberrecht verstößt hin zum Plattformbetreiber, der nicht verhindert, dass der Nutzer gegen das Urheberrecht verstößt.

Ein Vergleich zum besseren Verständnis:

Eine Bildergalerie stellt Kunstwerke aus. Ein Künstler meldet sich dort mit seinem Bild an und bekommt einen Platz in der Galerie zugewiesen. Es kommen viele Besucher und kucken sich die Bilder an, wodurch die Galerie Geld einnimmt. Später kommt heraus, dass der Künstler ein Fälscher war, der das Bild von einem anderen Künstler kopiert hatte. Der Künstler des Originals verklagt nun die Galerie auf Schadensersatz, da diese ja unter anderem mit der Kopie seines Bildes Einnahmen generiert hat. Und der Fälscher? Der hatte sich unter falschem Namen angemeldet, entgeht der Strafverfolgung und stellt in einer anderen Galerie die Fälschung erneut aus.

Wer hat nun gegen das Urheberrecht verstoßen? Natürlich der Fälscher.

Wer wird bestraft? Die Galerie.

Das klingt unfair und ist es auch. In Zukunft wird die Galerie also keine Bilder mehr von unbekannten Künstlern zulassen, denn der Aufwand, jedes Bild einzeln zu überprüfen wäre viel zu groß. Die Folge ist, dass viele großartige Werke nicht mehr ausgestellt werden.
In diesem Vergleich ist die Galerie der Plattformbetreiber, der Fälscher ist ein Nutzer der Inhalte von Fremden hochläd. Der Künstler ist der eigentliche Rechteinhaber. Und die Maßnahme, die die Galerie am Schluss ergreift, wäre dann der Uploadfilter.
Es ist klar, dass man Fälscher nicht einfach gewähren lassen kann und deshalb braucht es eine Urheberrechtsreform, die das geistige Eigentum effektiv schützt. Aber es ist auch klar, das es nicht zielführend ist, den Plattformen die Verantwortung für die Verstöße einzelner Nutzer anzulasten.

Also: Urheberrechtsreform – ja. Artikel 13 in seiner jetzigen (scheinbaren) Form – nein.

Als unberühmter Künstler wäre es mir auch lieber, den Fälscher am Fälschen zu hindern, statt die Galerie zu verklagen, in der ich vielleicht selber gern mal ausstellen würde…

Wie geht es weiter?

Über die Urheberrechtsreform wird im Europäischen Parlament nochmal abgestimmt und zwar irgendwann Ende März bis Mitte/Ende April, der genaue Termin scheint noch nicht fest zu stehen.

Es werden Demonstrationen gegen Artikel 13 organisiert:

  • Am 23. Februar in Köln
  • Am 2. März in Berlin
  • Am 23. März in Berlin, Dresden, Hamburg, Koblenz, München, Frankfurt, Stuttgart und anderen Städten in der EU.

Mehr Infos zu den Demos sind hier zu finden

Fazit:

Es ist schwierig an Informationen zu kommen, die nicht im Rahmen der Debatte auftauchen. Es gibt keinen offiziellen Orginaltext und somit sind auch diverse Aussagen schwer zu überprüfen. Klar ist aber, dass hier mehr Interessen im Spiel sind als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Die Vorwürfe, welche die jeweiligen Akteure gegeneinander vorbringen haben ihre Ursache auch darin, dass der genaue Stand der Dinge nicht unabhängig nachprüfbar ist. Den Abgeordneten, die diese Entscheidung treffen müssen, kann man nur raten sich wirklich mit dem Thema auseinander zu setzen und auszuloten, ob es nicht doch eine bessere Lösung gibt. Vielleicht eine, die Urheberrechtsverletzungen in angemessener Weise direkt an der Wurzel bekämpft und zwar in Kooperation mit den jeweiligen Akteuren und nicht gegen sie.



Informationen die zu diesem Artikel geführt haben:

https://rsw.beck.de/aktuell/gesetzgebung/gesetzgebungsvorhaben-entwicklungsgeschichte/eu-urheberrecht-und-digitaler-binnenmarkt

https://ec.europa.eu/germany/news/urheberrecht20190214_de

https://www.article13.de/

https://www.sueddeutsche.de/digital/uploadfilter-ergebnis-eu-urheberrecht-1.4329775

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52016PC0593