Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration – oder „Migrationspakt“

Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration – oder „Migrationspakt“

21. November 2018 0 Von Boris Biba

Das Abkommen, das landläufig als „Migrationspakt“ bezeichnet wird steht zur Zeit unter starker Kritik und im öffentlichen Fokus. Jedenfalls in dem der Medien, da die meisten Menschen den eigentlichen Beschluss wohl noch nicht selbst gelesen haben. An dieser Stelle möchte ich auch kurz anmerken, dass man das Originaldokument unter dem Suchbegriff „Migrationspakt“ nicht auf den ersten zwei Seiten bei Google findet, je nach Cookies findet man es auf der dritten Seite (oder hier). Dafür gibt es aber jede Menge Artikel die sich in drei Positionen zusammenfassen lassen:

  1. Position: „Bähhh, der Migrationspakt ist doof, weil Migration ist doof.“

  2. Position: „Gar nicht, der Migrationspakt ist toll, weil Migration ist toll.“

  3. Position: „Migration ist weder toll noch doof, die ist halt und wir brauchen den Migrationspakt um sie zu regulieren.“

Alle drei Positionen sind für sich recht beknackt. Deshalb möchte ich eine eigene Position entwerfen, bevor ich mich dem Migrationspakt inhaltlich zuwende.

4. Position, eine differenzierte Mischung: „Migration findet statt, in manchen Fällen ist sie doof, in manchen Fällen ist sie toll und der Migrationspakt könnte die globale Situation verbessern.“

Diese Position muss ich kurz erklären. Dass Migration stattfindet hat sicher auch schon der letzte Medienmuffel festgestellt, darauf brauche ich also nicht eingehen.

Warum ist Migration in manchen Fällen doof?

Genauer gesagt ist es nicht die Migration die doof ist, sondern die Ursache. Migration findet oft dann statt, wenn sich Menschen woanders bessere Lebensbedingungen versprechen als in ihrer Heimat. Das bedeutet, wenn Migration stattfindet dann liegt das meist daran, dass es auf der Welt unterschiedliche Lebensbedingungen gibt. Man lebt nicht überall gleich gut und dort, wo es unerträglich wird, will keiner leben. Das was es innerhalb Deutschlands auch gibt (bei uns nennt man das auch Landflucht) gibt es eben auch global. Und das ist doof. Es sollte allen Menschen möglich sein in ihrer Heimat ein lebenswertes Leben zu führen.

Warum ist Migration in manchen Fällen toll?

Migration bedeutet auch Freiheit. Die Freiheit über unsere schöne Welt zu reisen und sich dort niederzulassen wo es einem am Besten gefällt. Selbst wenn es in der Heimat keine unerträglichen Lebensbedingungen gibt, sind Menschen gelegentlich eine recht reisefreudige Spezies. Migration gab es schon in der Tierwelt vor den Menschen und vielleicht gibt es sie auch irgendwann zwischen Sonnensystemen. Und ist es nicht toll, wenn sich ein Mitglied der herrschenden Spezies auf ihrem Planeten den Lebensraum aussuchen darf, den es am angenehmsten findet? Nicht jeder will in warmen Klimazonen am Meer wohnen und nicht jeder mag kalte klare Bergluft.

Warum könnte der Migrationspakt die globale Situation verbessern?

Hier komme ich jetzt direkt auf den Migrationspakt zu sprechen. Was sich verbessert ergibt sich schon aus dem eigentlichen Titel des Abkommens: „Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ – ich zerkleinere das mal. Wobei ich zuerst erwähnen sollte, dass Migration hier nicht mit Flucht gleichzusetzen ist. Migranten sind im Verständnis des Abkommens keine Menschen die vor Gefahren fliehen, sondern Menschen die aus verschiedenen Gründen einwandern. Der Umgang mit Flüchtlingen wird in anderen Abkommen der UN geregelt. Wann wer welchen Status hat, hängt von der konkreten Situation ab.

Der Migrationspakt ist ein globaler Pakt, oder soll es jedenfalls werden. Das bedeutet die Mitglieder der UN, immerhin 193 Länder unserer Erde schließen dieses Abkommen. Das an sich ist schon eine Leistung, selbst wenn einzelne Länder abspringen. Denn es bedeutet, dass die Weltgemeinschaft in der Lage ist gemeinschaftlich globale Probleme zu erkennen und sogar Lösungsversuche unternimmt.

Im Pakt selbst werden z.B. folgende Leitprinzipien formuliert welche die gemeinsame Verantwortung betonen: „Dieser Globale Pakt ist Ausdruck unserer gemeinsamen Entschlossenheit, die Zusammenarbeit im Bereich der internationalen Migration zu verbessern.“ oder auch „dieser Globale Pakt ist Ausdruck unseres gemeinsamen Verständnisses, unserer gemeinsamen Verantwortung und unseres gemeinsamen Zwecks in der Frage der Migration, mit dem Ziel, sie zum Nutzen aller zu gestalten.“ Was ich besonders erwähnenswert finde ist dieser Satz: „Dieser Globale Pakt ist das Ergebnis einer beispiellosen Überprüfung von Fakten und Daten, die im Rahmen eines offenen, transparenten und inklusiven Prozesses gesammelt wurden. Wir haben uns über unsere jeweiligen Realitäten ausgetauscht und eine Vielfalt von Stimmen gehört, die unser gemeinsames Verständnis dieses komplexen Phänomens bereichert und geprägt haben. Wir haben gelernt, dass Migration ein bestimmendes Merkmal unserer globalisierten Welt ist, Gesellschaften innerhalb aller Regionen und über sie hinaus verbindet und alle unsere Länder zu Herkunfts-, Transit- und Zielländern macht.“ – Weil er bedeutet, dass sich das Abkommen an der Wirklichkeit orientieren soll, er bedeutet, dass die Migration als etwas angesehen wird, das einer weltweiten Lösung bedarf und um zu dieser Lösung zu kommen, alle Betroffenen berücksichtigt werden.

Was soll der Pakt gewährleisten? Eine sichere, geordnete und reguläre Migration. Tolle Adjektive, aber was bedeuten sie?

Sicher:

Für Migranten: Z.B. wird das Ziel formuliert, Menschenleben zu retten und koordinierte internationale Maßnahmen zu vermissten Migranten festzulegen. Prävention von Menschenhandel spielt ebenso eine Rolle wie die „Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu bewegen, ihre Herkunftsländer zu verlassen.“

Für Transit- und Zielländer: Die Länder sollen unter anderem ein „Integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement“ aufbauen. Die Identifikation von Migranten soll erleichtert werden indem alle benötigten Dokumente zur Verfügung gestellt werden. Auch die Rückkehr von Migranten in ihr Heimatland soll über sichere Routen in menschenwürdiger Form und in Zusammenarbeit mit dem Herkunftsland stattfinden können. Zudem soll die grenzübergreifende Bekämpfung von Schleusung von Migranten Verstärkt werden.

Geordnet:

Für Migranten: Durch verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Ländern sollen in allen Phasen der Migration korrekte Informationen zeitnah bereitgestellt werden. Das würde es z.B. ermöglichen, einzuschätzen welches Verfahren im Einzelfall angewendet werden soll. Z.B. bei der Unterscheidung Migrant/Flüchtling. Auch die Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen soll Erleichtert werden. Prekäre Situationen, wie z.B. die Unterbringung in Massenunterkünften oder mangelnde Kinderbetreuung/Versorgung sollen für die Migranten vermindert werden.

Für Transit-, Herkunfts- und Zielländer: „Stärkung der Rechtssicherheit und Planbarkeit bei Migrationsverfahren zur Gewährleistung einer angemessenen Prüfung, Bewertung und Weiterverweisung.“

Regulär:

Für Migranten: Es soll sichergestellt werden, dass die Migranten selbst über den Nachweis einer rechtlichen Identität und ausreichende Dokumente verfügen um eine Migration zu ermöglichen. Migranten soll der Zugang zu Grundleistungen gewährleistet werden. Außerdem sollen Überweisungsgebühren in die Herkunftsländer reduziert werden.

Für Transit- und Zielländer: Es sollen globale Partnerschaften zwischen den Ländern entstehen, die eine geordnete Migration möglich machen. Zudem soll Migration zur Nachhaltigen Entwicklung in allen Ländern beitragen. Migranten und Gesellschaften sollen zur Verwirklichung der vollständigen Inklusion und des sozialen Zusammenhalts befähigt werden. Um die illegale Migration zu bekämpfen soll die „Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für eine reguläre Migration“ verbessert werden.

Es werden weitere Ziele formuliert die ich nicht eingeordnet habe und die zum Teil auch mehreren Punkten zuzuordnen sind. Jedes Ziel enthält auch mehr oder weniger konkrete Umsetzungsvorschläge. Dieser Artikel soll und kann nur einen kleinen Überblick bieten. Viel knapper als im Originaldokument kann ich es auch nicht zusammenfassen.

Fazit:

Der Migrationspakt unterstützt weder einseitig Migration zu allen Bedingungen noch handelt es sich um ein Dokument, das aus rein sicherheitspolitischen Überlegungen entstanden ist. Vielmehr schätze ich das Abkommen als eine Art ersten Schritt zu einem globalen Einwanderungsgesetz ein, das Migranten, Ländern und Gesellschaften einen Leitfaden anbieten soll, wie legale und erfolgreiche Migration machbar und umsetzbar ist. Der Migrationspakt ist rechtlich nicht bindend (wie so viele Abkommen in der UN, das ist leider der Preis, wenn jeder mit am Tisch sitzt). Daher sind auch die Bedenken vieler Kritiker unbegründet, dass hier plötzlich nationale Gesetze ausgehebelt werden. Zumal der Migrationspakt auf den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen beruht und diese sichern den Staaten ihre Souveränität zu. Die Umsetzung einiger Ziele setzt intakte bürokratische Strukturen voraus die in einigen Herkunftsländern nicht gegeben sind, daher wäre der nächste Schritt, wohl eine Priorisierung der Ziele. Eine Analyse, welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt unter welchen Voraussetzungen ausgeführt werden können müsste folgen. Ich hoffe jedenfalls, dass es nicht bei dieser freiwilligen Absichtserklärung bleibt, sondern dass die Weltgemeinschaft ihr Bemühen fortsetzt und dass nicht die Menschenfeinde und dümmlichen Populisten sondern die Menschenfreunde und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für alle Menschen am Ende triumphiert.

Euer BB

PS: Es ist allerdings auch ziemlich kacke, dass man das Orginaldokument erst auf Seite 3 der Googlesuche findet, aber die mehr oder weniger beknatterten Artikel in den Medien die ersten Plätze belegen… wollte ich nur nochmal anmerken, vielleicht wäre da Handlungsbedarf. So von wegen Suchmaschinen sollten Orginaldokumente zu bestimmten Themen priorisieren oder so…