Coronaleugner sind ein Problem, das andere sind…

Coronaleugner sind ein Problem, das andere sind…

22. November 2020 3 Von Boris Biba

Liebe Leute, ich musste mich leider mal so richtig auskotzen. Ich war stink sauer. Den Text habe ich daher nochmal überarbeitet und versucht ein bisschen (berechtigte) Kritik mit aufzunehmen, die darauf folgte. (Den ersten Teil habe ich übrigens nicht geändert, wer sich hier angesprochen fühlt tut das evtl. zu recht 😛 )

Wir haben jetzt einige Monate Pandemie hinter uns. Es gab “Hochs” und “Tiefs”. Lockerungen und Beschränkungen und jetzt ist sogar ein Impfstoff in Sicht. Man kann also hoffen, dass wir auf der Zielgerade sind, um aus dieser Krise raus zu kommen.

Das klingt ja erstmal ganz gut. Trotzdem gibt es neben den Spinnern, die das Virus oder seine Gefahr leugnen noch ein anderes Problem. Klar, die machen Massenveranstaltungen ohne Abstand und ohne Vernunft. Sie bedrohen Menschen, führen unseren Rechtsstaat vor und nutzen seine Regeln, um in ihren feuchten Träumen zu schwelgen ihn abzuschaffen. Sie verstecken sich hinter ihren Kindern und belästigen die Kinder fremder Menschen.

Über den Witz, dass sich diese Menschen in irgendeiner Form “Denker” nennen, könnte man laut lachen, wenn es nicht so traurig und peinlich wäre. Wenn es “Denker” wären, kämen sie vielleicht selbst darauf, dass die gezielte Beeinflussung von Kindern für die eigenen öffentlichen Interessen einen ganz üblen Beigeschmack hat. Nicht, dass sich Kinder und Jugendliche keine eigene Meinung bilden und gegen Geschwurbel resistent sein könnten, aber allein der Versuch ist unter aller Kanone.

Natürlich gibt es auch berechtigte Kritik, an den Coronamaßnahmen die man anführen kann – aber die geht leider im Wust der erkenntnisresistenten Verschwörungs-Balla-Balla-Meute unter. Sie tun sich und uns damit also echt keinen Gefallen. Und bedrohen auf diese Weise zusätzlich den echten demokratischen Prozess.

Aber gut. Das sind die Irren, die Verrückten, die Spinner und die Leute, die bei jedem Pups, der eine minimale Einschränkung in ihrem erbärmlichen egoistischen Leben bedeutet, in helle Panik verfallen. Das gibt es in allen Gehalts- und Sozialklassen.

Das andere sind…

Das andere Problem sind die ganz normalen Menschen. Bzw. deren Verhalten. Leute wie du und ich, die sich eben über die oben genannten Flizpipen lustig machen – und sich dann aber mit der Freundin hier treffen, zum Geburtstag des Kumpels gehen und am Wochenende die Familie besuchen. Klar muss man hier differenzieren zwischen ausgelassenen Partys und einem Zusammensein von ein paar Personen.

Trotzdem:

Es wird immer wieder betont: Es kommt auf jede/n Einzelne/n an. Und auch wenn es in den Medien manchmal anders wirkt. Die normalen Fuzzis wie wir, das ist die Mehrheit. Und die sind jetzt in der Verantwortung, auch um für die besagten Gaga-Buhu-Heinis mitzudenken.

Ja, ich bin auch müde. Ich kanns nicht mehr hören und dabei war ich schon vor Corona kein super sozialer Mensch. Und um ehrlich zu sein stört mich der Gedanke an ein Weihnachten im Kreise des eigenen Hausstandes kaum, aber ich lebe ja auch nicht alleine. Dass es anfängt mich zu nerven, ist für mich ein Zeichen, dass andere wahrscheinlich inzwischen sehr unter der Situation leiden. Und das ist völlig verständlich – und trotzdem ein Problem.

Die normalen Leute fangen an, die Beschränkungen und Apelle zu ignorieren. Wir fangen an, uns darüber hinwegzusetzen – eben, weil es schon so lange geht. Man gewöhnt sich an die Situation und sieht die Krise nicht, wenn man nicht unmittelbar davon betroffen ist. Dann neigt man eben dazu sich unbewusst wieder normal zu verhalten. D.h. man läd wieder Freunde und Verwandte ein, trifft sich vielleicht mit mehr Leuten als man sollte und vergisst die Pandemie-Umgangsregeln.

Das bringt uns alle aber in eine recht bescheidene Situation, weil:

  • Wir alle mit verantwortlich dafür sind, wenn die Infektionszahlen jetzt nicht zurückgehen.
  • Niemand (ohne Test) sicher wissen kann, dass er nicht infiziert ist. Es gibt nach wie vor symptomlose Krankheitsverläufe.
  • Jeder Kontakt mit mehreren Menschen vielleicht zu einem Cluster führen könnte.
  • Jeder Cluster die Gesundheitsämter belastet und im schlimmsten Fall weitere Cluster auslöst.
  • Das Virus vielleicht unbemerkt drei Leute infiziert bis es bei einem/einer Vierten einen schweren Verlauf hat.
  • Unsere Krankenhäuser zum Teil Probleme haben, weil das Personal mit Corona infiziert ist.
  • Selbst wenn das Krankenhaus offen ist, man die Patienten oft nicht mehr besuchen darf.
  • Mit jeder Neuinfektion das Risiko für stärkere Kontaktbeschränkungen oder Berufsverbote steigt, was die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen gefährdet.
  • Zwar die wenigsten die Kontaktbeschränkungen geil finden, aber die Mehrheit mitverantwortlich ist, wenn wir sie länger oder in schärferer Form ertragen müssen. (Was das Risiko erhöht, dass man sich nicht daran hält, was das Risiko für mehr Infektionen erhöht was zu längeren Kontaktbeschränkungen führt usw…)

Es ist klar, dass man soziale Kontakte braucht. Aber manche Kontakte sind verständlicher und meiner Meinung nach sinnvoller als andere, z.B.:

  • Opa und Oma, die auf Enkel aufpassen um die Eltern zu entlasten – Sinnvoll
  • Der Kontakt zu den Familienmitgliedern die alleine wohnen – Sinnvoll
  • Das Kaffeekränzchen, bei dem sich am besten mal wieder alle sehen können – absolut nicht sinnvoll.

Also alle Kontakte, die der geistigen Gesundheit, der Entlastung oder der Hilfe für die jeweiligen Leute dienen, finde ich sinnvoll. Alle anderen sind meiner Meinung nach leider gerade nicht angebracht. Jedenfalls nicht, so lange die Infektionsketten nicht zurückverfolgt werden können. Denn darum geht es bei den festgelegten Grenzwerten von X Neuinfizierten auf 100.000 Einwohner. Ab 50 Neuinfektionen innerhalb 7 Tage auf 100.000 Einwohner können Infektionsketten nicht mehr zurückverfolgt werden. Keine Rückverfolgung bedeutet, keine Kontrolle, bedeutet mehr schwere Fälle, bedeutet Überlastung der Intensivstationen, bedeutet viele Tote und im schlimmsten Fall unerträgliche Entscheidungen für Krankenhauspersonal – siehe Triage.

Und jetzt kommt noch eine unliebsame Aussage: Das gilt völlig unabhängig davon was die Politik uns erlaubt oder nicht erlaubt. Zum Zeitpunkt der Überarbeitung dieses Textes diskutieren Ministerpräsidenten und Bundesregierung über die bestehenden Regeln. D.h. selbst wenn uns rechtlich erlaubt wäre uns wieder normal zu treffen oder Weihnachten bzw. Silvester oder Geburtstage normal zu feiern, würde das an der Infektionslage und dem damit verbundenen Risiko nichts ändern.

Als mündige Bürger/innen müssen wir uns also unabhängig davon verantwortungsbewusst verhalten und das Infektionsrisiko für uns und andere möglichst klein halten.

Es gibt also gute Gründe sich zu treffen. Und es gibt gute Gründe es zu lassen. Wir müssen in jedem konkreten Fall entscheiden, was davon der Fall ist. Und wir müssen uns zusammen daran halten. Es ist nicht gut, wenn diese Entscheidung einem Einzelnen zugeschoben wird. Z.B. indem man einfach alle einläd mit dem Hinweis, man möge doch nicht kommen, wenn man Bedenken hätte. Jede/r muss mitdenken und im Zweifel vielleicht schon von sich auf die Einladung verzichten. Nur dann schaffen wir es vielleicht durchzuhalten bis der Impfstoff uns alle erlöst. Es kann ja sein, dass der Impfstoff bald kommt, dann halten wir das jetzt auch noch ein bisschen aus. Wenn der Impfstoff doch nicht bald kommt – umso wichtiger ist es, dass wir jetzt alle die Arschbacken zusammenkneifen. Auch um das Risiko für die zu senken, die sich aus diversen sinnvollen Gründen nicht auf persönliche Kontakte verzichten können.

Eine kleine Gedankenstütze, auch im Hinblick auf kommende Familienfeiern bei hohen Infektionszahlen: Alleine zu feiern bringt uns mit Sicherheit nicht um* – zusammen zu feiern könnte allerdings tödlich sein.

Hab euch lieb.

*Wenn natürlich jemand aus psychischen Gründen z.B. über Weihnachten und Neujahr nicht alleine sein sollte, ist das etwas anderes und auch hier müssen wir aufeinander achten.

PS: In der vorherigen Version des Textes hatte ich geschrieben, ich hätte manchmal das Gefühl, mir als Einziger in meinem Umfeld Gedanken über das Thema zu machen. Wenn es dir ähnlich geht, mach es klüger als ich und sprich mit deinem Umfeld direkt, aber halt nicht direkt-direkt sondern vielleicht per Telefon 😉

PPS: Statt einander zu besuchen kann man sich vielleicht digital treffen. Z.B. mal gemeinsam im Videochat frühstücken. Und wenn es doch mal ein direkter Kontakt sein muss, ist ein Treffen im Freien besser als in der Wohnung.